Unterwurmbach im Mittelalter (Teil I) von Martin Winter, Hohentrüdingen

Der Ortsname
Unsere Heimat wird fränkisch
Die Altmühlfurt
Die Gründung des Klosters Gunzenhausen
Unterwurmbach, eine Zelle des Klosters Gunzenhausen
Unter der Herrschaft der Edlen von Truhendingen
Otto und Ulrich von Wurmbach

Der Ortsname

Die Geschichte einer Landschaft wird durch die Menschen gestaltet, die sich in ihr niedergelassen haben, ihre Sprache begleitet sie und durch die Benennung der bewohnten Orte und der sie umgebenden Flur findet sie ihren Niederschlag. Orts- und Flurnamen sind Sprachdenkmäler besonderer Art, die sich über Jahrhunderte, ja in Einzelfällen über Jahrtausende erhalten haben. Wenn auch der Abstand von der Zeit der Namengebung bis zur Gegenwart bisweilen sehr groß ist, so daß sie oft einer Erklärung widerstreben oder ihr Inhalt völlig dunkel geworden ist, so gelingt es doch in den meisten Fällen, ihn wieder aufzuhellen, wenn zu den ältesten Formen zurückgegriffen wird.

Der heutige Ortsname Wurmbach lautete im 13. Jahrhundert Wurmbach. Was bedeutet er? In der Urlandschaft des Altmühltales mit den oft lang anhaltenden Überschwemmungen, den zahlreichen Altwassern, den versumpften Auenwäldern, den langgezogenen und vielgewundenen Bachläufen spielte das Wasser bei der Benennung bewohnter und unbewohnter Örtlichkeiten eine große Rolle. Die Beziehung zum Wasser findet daher im zweiten Namenteil -ach ihren Ausdruck. Das Grundwort Ach oder Ache ist gleichzusetzen mit dem althochdeutschen Wort aha (lateinisch aqua), das "Wasser", aber auch "Wasserlauf", "Fluß" bedeutet. Im Ortsnamen unseres Nachbarortes Aha hat es sich erhalten, denn Aha heißt ganz einfach "am Wasser", "Siedlung am Wasser", was bei den zahlreichen Altmühlüberschwemmungen und den Altwässern leicht verständlich ist. In den Alpenländern werden noch heute Gebirgsbäche als Achen bezeichnet. Später wurde das alte Wort Ache = Wasser nicht mehr verstanden und durch das jüngere -bach ersetzt, das "flie"endes Gewässer" bedeutet. Bach blieb das siegreiche Wort, Ache mußte abtreten. So entstand aus dem alten Namen Wurmach im Laufe der Zeit ein Wurmbach. Doch welcher Sinn liegt im ersten Namenteil verborgen? Noch in mittelhochdeutscher Zeit diente das Wort Wurm zur Bezeichnung kriechender Tiere überhaupt: Wurm, Insekt, Drache, Schlange. Wir werden nicht fehlgehen, wenn wir den Namen Wurmbache als "geschlängelten Wasserlauf" deuten. Maßgebend war für die Benennung der gekrümmte Lauf des Baches, der sich wie eine Schlange oder wie ein Wurm vom Hahnenkamm über Gnotzheim, Nordstetten, Ober- und Unterwurmbach durch das Albvorland und die Altmühlaue windet.

Bevor die beiden Orte Ober- und Unterwurmbach entstanden, mag wohl schon die feste Bezeichnung Wurmache für den Fluß vorhanden gewesen sein. Die Siedlungen übernahmen dann wie so oft den Namne des Wasserlaufes, wobei der talabwärts gelegene Ort als Niederwurmbach, der talaufwärts gelegene als Oberwurmbach ursprünglich bezeichnet wurde. Später wurde das Nieder durch Unter verdrängt, so daß heute die beiden Orte die Namen Ober- und Unterwurmbach führen.

Unsere Heimat wird fränkisch

Im 8. Jahrhundert erfolgte in Europa eine Wandlung von weltgeschichtlicher Bedeutung. Landschaften, die bisher gleichsam das Hinterhaus des fränkischen Reiches gebildet hatten, wie das Rhein-, Main- und Donaugebiet, treten jetzt in den Blickpunkt des politischen Interesses. Ein großes Adelsgeschlecht aus der Gegend zwischen Maas und Rhein bemächtigt sich der Herrschaft. Sein koetenartiger Aufstieg beginnt eben in den Jahrzehnten, in denen die Araber im Mittelmeer endgültig die Oberhand gewonnen hatten. Der Schauplatz der alten Geschichte, das Mittelmeer, um das die antiken Kulturvölker wie "Frösche um den Teich" herum wohnten, wird durch die Fluten des Islams auseinandergerissen. Der Wüstenspuk Mohammeds legte sich wie ein Leichentuch auf die alten christlichen Kulturen in Syrien, Palästina, Ägypten und Nordafrika. Die südgallischen und italienischen Häfen waren einst das Tor zu Welt gewesen, aber jetzt kommen hier nicht mehr Waren und Geld aus Afrika und dem Orient herein, sondern höchstens arabische Seeräuber. Nicht mehr das zusammenhaltende, völkerverbindende Band ist jetzt das Mittelmeer, sondern trennende Grenze, die Völker und Kulturen scheidet.

Darum mach man jetzt in Gallien eine Kehrtwendung und dreht dem Meer den Rücken zu. Der Schauplatz der Geschichte verlagert sich vom Mittelmeer nach dem Norden an den Rhein. Das neue Herrscherhaus der Karolinger richtet sein politisches Blickfeld nach dem Osten, nachdem es im Südwesten die anbrandenden Wellen des Islams erfolgreich abgewehrt hatte. Über den Rhein, entlang dem Main, dem Neckar und der Donau, zielt der Vorstoß in rein germanisches Land. Mit dem Ausgriff des karolingischen Königsgeschlechts aus dem Maas-Mosel-Raum und mit der den Karolingern eng verbundenen angelsächsischen Mission nach dem Osten hat die Geburtsstunde des christlichen Abendlandes geschlagen. Die Welt des Mittelalters zieht herauf.

Durch die Schlagkraft seines fränkischen Heeres erobert das neue Hrrscherhaus der Karolinger in kurzer Zeit die rechtsrheinischen Lande. Aber dieser Ausgriff bedeutet mehr als eine bloße Erweiterung des Machtbereiches des fränkischen Königs. Dem fränkischen Grafen und seinen Kriegern folgt der fränkische Geistliche. Christentum und höhere Gesittung dringen bis zum Böhmerwald vor, die Grenzen der abendländischen Kulturwelt werden weit nach dem Osten vorgeschoben. Nach der ERoberung durch fränkische Krieger erfolgt das gewaltige Werk der Sicherung des neuen Machtbereiches. Der Ausbau des Raumes, die Erschließung des gewonnenen Landes sind eine stille Leistung von gewaltigen Ausmaßen, die sich über Jahrhunderte hinzieht. Die Rodung der weiten Wälder, die Besiedlung bisher bewaldeter Berglandschaften, die Anlage von Königshöfen und Königskirchen, die Gründung von Klöstern und Adelshöfen, all diese vielgestaltige Arbeit vollzieht sich unter dem politischen Herrscherwillen des karolingischen Königshauses im Zusammenwirken mit dem Glaubenseifer des heiligen Bonifatius und seiner angelsächsischen Schüler und Helfer. Alteingesessene elbgermanisch-alemannische Urbevölkerung arbeiet hier zusammen mit fränkischen Wehrbauern, fränkischem Adel und richtungsweisendem Königtum. Das fränkische Herrscherhaus überzog die rechtsrheinischen Gebiete aber nicht im Stil moderner Verwaltung mit einem Netz von Gauen und Grafschaften, sondern begnügte sich, entlang den Straßen und strategisch-politisch wichtigen Punkte seine Positionen aufzubauen. Stützpunktstrategie würde man diese Art der Raumbeherrschung und Raumerschließung im modernen Sinn nennen. Hier aber nimmt nun auch die Geschichte Unter- und Oberwurmbachs Anteil an dem großen Geschehen. Die kleine Welt an der Altmühl wird plötzlich erhellt vom Wetterleuchten raumgreifender politischer Ideen. Ein Hauch der Weltgeschichte weht herein in die stillen Gefilde des Almühltales.

Die Altmühlfurt

Der Raum Unterwurmbach - Gunzenhausen erweckte im 8. Jahrhundert das Interesse der fränkischen Großraumpolitik, denn hier waren besonders günstige natürliche Bedingungen für den Übergang alter Straßen über die Altmühlaue gegeben. Flußauen zu überschreiten, bereitet ja heutzutage dem Verkehr kaum noch Schwierigkeiten, seitdem der Mensch Eisen und Beton in den Dienst des Brückenbaues stellen und mit modernen Baumaschinen und Transportmitteln gewaltige Erdmassen zur Aufschüttung von Dämmen bewegen kann. In alter Zeit war das anders. Selbst kleine Flüsse wie etwa den Oberlauf der Altmühl und der Wörnitz zu überqueren, war zu jener Zeit mit Hindernissen verbunden, denn diese Flußläufe begleitet eine breite Talsohle, die in grauer Vorzeit von sumpfigen Auenwäldern bedeckt und von breiten Altwassern durchzogen war. Man führte daher die Altstraßen dort an den Fluß heran, wo auch antürliche Erhebungen möglichst nahe an das Flußbett heranrückten. Zwischen Unterwurmbach und Gunzenhausen bot sich dem Verkehr eine derart günstige Gelegenheit dar. Die von Osten weit an die Altmühl heranziehende markante Burgsandsteinhöhe des Burgstallwaldes ermöglichte eine dem Grundwasser entzogene Anfahrt an die Talaue und das Flußbett und ein rasches Erreichen der gegenüberliegenden Höhen bei Unterwurmbach. Der frühmittelalterliche Verkehr knüpfte hier an die Erfahrungen aus der Römerzeit an. Die Römer führten ihren Limes, der aus dem Hesselberggebiet über Kleinlellenfeld heranzog, etwa 500 Meter nördlich von Unterwurmbach über die Altmühlaue und steuerten mit ihm die jenseits der Altmühl liegende Burgstallhöhe bei Gunzenhausen an. Diese Limeslinie war in der Unterwurmbacher Gemarkung im 14. Jahrhundert noch gut bekannt, führten doch zu jener Zeit Wiesen und Äcker die Flurbezeichnung "auf dem Pfahl", worunter amn im Mittelalter den Limes verstand. Anläßlich der Flurbereinigung im Jahr 1966 kamen die Fundamente der Limesmauer ans Tageslicht. Sie wurden in Teilen konserviert, ein neuer Flurbereinigungsweg begleitet den ehemaligen Limes bis an die Stadtgrenze. Eine dem Limes benachbarte Furt lebte wohl noch lange Zeit unter dem Namen Langwat fort. das alte, heute verklungene oderdeutsche Wort Wat (lat. vadum) erinnert an unser Zeitwort waten, das heißt "schreiten, vorwärtsdringen", besonders im Wasser. Unter einer Wat verstand man also früher eine Stelle, an der man durch den Fluß waten konnte, einen Flußübergang, eine Furt. Der in unserer Heimat nicht gerade seltene Flurname Langwat weist also auf eine lange Furt hin. Anscheinend wurde dieser Name früher vor allem für Durchgänge durch moorige Auen gebraucht. In späterer Zeit hat man das Wort Langwat nicht mehr verstanden, so ist daraus eine Langweid geworden im Sinn einer langen Viehweide. Wege und Furten blieben ja in früheren Zeiten weniger denn heute starre Linien. War eine Strecke einmal ausgefahren und unpassierbar, so legte man wenige Meter daneben eine neue Wagenspur an. wie es eben das Gelände erlaubte. So mag die Langwat noch von einer alten Furt über die Altmühl berichten, die nordwestlich der heutigen Altmühlbrücke den Fluß überquerte.

Diesen günstigen Übergang über die Altmühl sicherten die Römer durch ein Kastell, das dort vermutet wird, wo sich heute die Stadtkirche St. Marien erhebt. Gerade aus dem Umstand, daß über dem Gemäuer des alten Römerkastells später eine Marienkirche erbaut wurde, glauben manche Forscher an ein kontinuierliches Weiterbestehen einer Siedlung in Gunzenhausen in germanischer Zeit, als die Alemannen im 3. Jahrhundert den Limes überschritten hatten. An diese von den Römern schon erkannte und genutzte gute Verkehrslage der Altmühlfurt zwischen Unterwurmbach und Gunzenhausen knüpfte nun auch im 8. und 9. Jahrhundert der frühmittelalterliche Verkehr an. Die alten Römerstraßen wurden weiterbenutzt. Zur besseren Anfahrt an die Altmühlfurt legte man Knüppeldämme über nicht befahrbare Sumflöcher. 1964 wurden Rest dieser Holzroste anläßlich einer Kanalisation in die Hensoltstraße in Gunzenhausen gefunden. Die ursprüngliche Annahme, die Knüppeldämme seinen von den Römern gelegt worden, bestätigte sich nicht. Sie stammen vielmehr aus dem frühen Mittelalter. Die heutige Hensoltstraße geleitete im Mittelalter den Verkehr aus der Rednitz-Regnitz-Furche an die Altmühlfurt westlich der heutigen Altmühlbrücke eran. Zahlreiche Funde alter Hufeisen bestätigen einen dichten Verkehr auf dieser Straße über die Altmühl in Richtung Unterwurmbach. Auch der aus dem Würzburger Mainland mit der weit vorgeschobenen altbesiedelten Windsheimer Bucht über die Frankenhöhe und Ansbach an die Altmühl und weiter in das Ries oder auf die südliche Frankenalb und zur Donau strebende Verkehr mußte bisweilen bei Gunzenhausen-Unterwurmbach die Altmühlaue durchschreiten. Im 12. und 13. Jahrhundert gewann die Verbindung aus dem staufischen Kerngebiet im Remstal und den alten staufischen Stützpunkten um den Hesselberg (Aufkirchen, Beyerberg, Ried) in Richtung Nürnberg über Unterwurmbach - Gunzenhausen erhebliche Bedeutung. Im ausgehenden Mittelalter, als der Fernhandel Nürnbergs aufblü:hte, sollte die Straße durch Gunzenhausen und Unterwurmbach sogar zur Messestraße emporwachsen, auf der Fuhrleute und Pilger aus Nürnberg die großen Messen von Nördlingen, Genf und Lyon oder über Ulm, Ravensburg und die Alpenpässe die lombardischen Städte erreichten. So war der Raum Gunzenhausen - Unterwurmbach das ganze Mittelalter hindurch ein bedeutender Verkehrsknotenpunkt.

Die Gründung des Klosters Gunzenhausen

Wer heutzutagevon einem Kloster spricht, denkt unwillkürlich an ein Leben der ERgebung und Vollendung in Gott. Unser religiöses Gefühl wird bewegt, wenn wir vor der Pforte eines mittelalterlichen Klosters stehen oder in der Klosterkirche in andachtsvoller Stille an ein Leben jenseits des Todes gemahnt werden. Die Welt des Klosters liegt für den modernen Menschen in allererster Linie im rein religiösen Bereich. Das frühe Mittelalter war ein Zeitalter der politischen Religiosität. Klostergründungen dienten im 8. Jahrhundert, als der Ausgriff des karolingischen Herrscherhauses in die rechtsrheinischen Gebiete erfolgte, nicht nur der religiösen Vollendung und Ergebung in Gott. Sie waren neben den Eigenkirchen vor allem "Zentren giestiger Kultur und geistlicher Bildung, Stützpunkte fränkischer Reichskultur. Sie waren Hüter und Zentren karolingischer Framilien- und Herrschaftstradition, Schenkungszentren des Provinzial- und Reichsadels, Versorgungsstätten von Söhnen und Töchtern, Altersasyl für tätige Männer im Dienst des fränkischen Reiches, Grablegen für die Adelsfamilien".

Es besteht kein Zweifel, daß auch das im 8. Jahrhundert gegründete Kloster Gunzenhausen eine religiöse und politische Aufgabe im Dienst des fränkischen Reiches zu erfüllen hatte. Vor allem wird man eine enge Bindung der Klostergründung Gunzenhausen zu der wichtigen Altmühlfurt nicht leugnen können. In einer Zeit, die ein öffentliches Gasthaus- und Beherbergungsgewerbe kaum kannte, hatte das Kloster die Aufgabe der Beherbergung des adeligen oder königlichen gefolges zu übernehmen. Lebensmittel für die Menschen, Heu und Hafer für die Pferde bereitzuhalten, darin bestand eine wesentliche Vorsorge des Klosters für die im königlichen Auftrag Reisenden, die auf der alten Fernstraße von Würzburg über Ansbach - Gunzenhausen nach Eichstätt und in die niederbayerische Donauebene zogen oder aus dem Regnitzraum sich über Gunzenhausen, Unterwurmbach nach dem Ries und ins Neckargebiet begaben. Damit das Kloster aber seiner Straßenfunktion, seiner Beherbergungspflicht auch nachkommen konnte, mußte es mit Wirtschaftsgrütern in Form von Bauernhöfen ausgestaltet sein. Die Klostergebäude mit der Klosterkirche und den Wohnungen der adeligen Mönche wurden auf der linken Seite der Altmühl in Gunzenhausen errichtet. Man nimmt an, daß das Kloster auf den Grundmauern des alten Römerkastells in der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts von einem im Dienst des Königs stehenden fränkischen Adeligen gegründet und bald darauf in königlichen Besitz überführt wurde. Die darzugehörigen Wirtschaftsgüter dagegen waren nicht nur in Gunzenhausen untergebracht, sondern gruppierten sich rund um die Altmühlfurt in den Orten Unterwurmbach, Oberwurmbach, Laubenzedel, Schlungenhof, Sinderlach, Unterasbach, Oberasbach, vor allem aber in Unterwurmbach. Der Grund und Boden im Umkreis der Altmühlfurt stand unter der Herrschaft des Klosters. Man spricht hier von der Grundherrschaft, die das Kloster auf den Grund und damit aber auch auf die Menschen ausübte.

Ob eine gewisse wirtschaftliche spezialisierung der Hintersassen des Klosters schon zur Zeit der Gründung beabsichtigt war, darüber geben die spärlichen Nachrichten keinen Aufschluß. Man könnte hier lediglich aus den Ortsnamen bestimmte Folgerungen ziehen. Hier wäre z. B. der name der Siedlung Sinderlach heranzuziehen. Die ältesten Formen dieses Ortsnamens lauten "bi der Sinterlachen". Das mittelhochdeutsche Wort sinter bedeutet "Metallschlacke". Das Grundwort Lache erinnert an "Lache, Pfütze, Sumpfland". "Bei der Schlackenlache" wäre demnach der Ortsname Sinderlach zu deuten. Der Name könnte von einer alten Stätte zur Eisengewinnung berichten, die vielleicht einmal versuchweise von dem ehemaligen Kloster Gunzenhausen angelegt wurde. Man darf wohl an die Gewinnung von Raseneisenerz denken, wie sie auch anderwärts bezeugt ist. Für Unterwurmbach läßt sich aus dem Ortsnamen eine derartige Spezialisierung der Grundholden nicht erkennen. Die landwirtschaftliche Produktion der klösterlichen Höfe in Unter- und Oberwurmbach beschränkte sich wohl auf Getreide und Futter.

Unterwurmbach, eine Zelle des Klosters Gunzenhausen

Die Geschichte des Dorfes Unterwurmbach und die Geschichte der Stadt Gunzenhausen lassen sich auf eine gemeinsame frühmittelalterliche Wurzel zurückführen: die Grundherrschaft des Klosters Gunzenhausen. Wir haben darüber allerdings kein sicheres schriftliches Zeugnis, können diese einstige Zusammengehörigkeit freilich aus den ältesten Lehenbüchern der Reichtsabtei Ellwangen erschließen. Die geschichtlich bedeutsame Urkunde vom Jahr 823, nach der König Ludwig der Fromme, der Sohn Karls des Großen, das Kloster Gunzenhausen dem Reichskloster Ellwangen unterstellt, spricht sich über die Zugehörigkeit Unterwurmbachs nicht unmittelbar aus. Sie berichtet in lateinischer und formelhafter Sprache von einem monasterium cum cellulis et rebus sibi subjectis. Die Frage erhebt sich nun: Was unter den cellulis = Zellen zu verstehen? Sicher nicht die Wohnungen der Mönche, denn diese waren für ein Kloster selbstverständlich. Vielmehr ist hier an vorgeschobene Wirtschaftshöfe oder wirtschaftliche Außenposten des Klosters zu denken. Die Urkunde vom Jahr 823 verschweigt aber die Orte, in denen sich exponierte Wirtschaftsgüter befanden. Für diese frühe Zeit des 9. Jahrhunderts war es noch nicht üblich, bei derartigen Schenkungsakten eine genaue Aufschlüsselung der geschenkten Güter zu geben, es genügte die Formel. Der Vorsteher des Klosters führte auch damals kaum Güterverzeichnisse, wie sie für die großen Reichsabteien Lorsch und Fulda vorliegen, die allerdings über einen reichen und über weite Landschaften verstreuten Besitz verfügten.

Daß auch das Kloster Gunzenhausen einst in Ober- und Unterwurmbach gebütert war, kommt in der Urkunde Ludwigs des Frommen nicht unmittelbar zum Ausdruck, ist aber aus den späteren Besitzverhältnissen zu erschließen. Zum erstenmal erfahren wir die zugehörigkeit Wurmbacher Güter zur alten Klostergrundherrschaft Gunzenhausen aus dme Heberegister des Klosters Ellwangen. Während das Württembergische Urkundenbuch II, 425 dieses Heberegister um 1150 ansetzt, glaubt das Nürnberger Urkundenbuch, es in die Zeit um 1241 festlegen zu müssen, betont, aber, daß nach dem Schriftcharakter dieses Jahr der spätmöglichste Ansatz sei. Nach diesem Heberegister bezieht sich das Kloster Ellwangen aus Unterwurmbacher Gütern 5 Nürnberger Solidos (Münzen). Lieder erfahren wir für die Zeit des frühen und hohen Mittelalters nichts über die Organisation des Ellwanger Klostergutes. Wir wissen nicht, ob es nach der Art des Königsgutes in einen Fronhof (Herrenhof, Meierhof) und dienende Huben und Hofstätten geordnet war, ob behauste und unbehauste Unfreie als Arbeitskräfte zugeordnet waren, wie das ja auch in benachbarten Grundherrschaften der Fall war.

Unter der Herrschaft der Edlen von Truhendingen

Für die geschichtliche Entwicklung Unter- und Oberwurmbachs war die Ausbildung der Grundherrschaft des Klosters Ellwangen von außerordentlicher Bedeutung gewesen. Das Kloster verfügte damit über erheblich viel Grund und Boden rings um die Altmühlfurt, der im Jahr 823 aus der Hand des Königs empfangen wurde. Ebenso lag die geistliche Betreuung der auf kirchlichem Grund und Boden sitzenden Grundholden in der Hand des Klosters. Doch im 12. Jahrhundert trat an der mittleren Altmühl eine neue Macht auf den Plan. Hatte das Kloster Ellwangen bis dorthin seine Eigenkirchenherrschaft als Ganzes über seine Untertanen und Güter ausgeübt, so wurde im Lauf des hohen Mittelalters eine Teilung vorgenommen. Über die geistlichen Belange und die Grundherrschaft verfügte das Kloster nach wie vor, die weltlichen Angelegenheiten, d. h. die Ausübung der weltlichen Hoheit über das Gebiet und die Leute des Klosters um die Altmühlfurt herum, nahmen nun die Herren von Truhendingen (Hohentrüdingen) in Form der Schutzherrschaft als Lehen von Ellwangen wahr. Die Edelherren von Truhendingen vertraten nunmehr die klösterlichen Hintersassen Ellwangens im Raum Gunzenhausen - Unterwurmbach vor der weltlichen Obrigkeit und verliehen ihnen ihren Schutz. Nur wer Schutz verlieh, konnte aber die Herrschaft über Land und Leute gewinnen. So gliederten die Herren von Truhendingen die ellwangischen Güter und die darauf sitzenden Menschen in ihre territorialen Bestrebungen ein und benutzten die weltliche Herrschaft (Vogtei) zum Aufbau ihres Territoriums. Sie teilten das Gbiet ihrer Herrschaft, indem sie auf der einen Seite der Altmühlfurt wohl zu Beginn des 13. Jahrhunderts auf dem kirchlichen Grund und Boden von Ellwangen die Stadt Gunzenhausen errichteten und in Unterwurmbach ebenfalls auf dem kirchlichen Grund und Boden Ellwangens einen Burg erbauten. So blieben beide Gebilde Lehen von Ellwangen. Beide Vorgänge müssen im Zusammenhang mit den territorialen Bemühungen der Herren von Truhendingen im 12./13. Jahrhundert gesehen werden.

Die Güter und Rechte dieser Edelfamilie lagen im Ries, am Hahnenkamm und am Hesselberg in weiter Streulage mit Kirchengut, Königsgut und Adelsgut anderer Herren. Zu Beginn des 12. Jahrhunderts beginnt sich das Geschlecht nach dem neuerrichteten festen Sitz Truhendigen (zuerst Altentrüdingen, dann Hohentrüdingen) zu benennen, wird damit in den Urkunden faßbar und bekundet nun durch diese Benennung seinen Willen, die zerstreuten Güter zu einem Flächenstaat auszubauen. Die bisherige Herrschaft über Personen eines weiteren Gebietes soll nun durch einen Herrschaft über einen bestimmten Raum, über ein Territorium, ersetzt werden. Die Vogtei über Güter und Leute der Klöster Solnhofen und Heidenheim bildet eine breitere Ausgangsbasis dafür. Auch die Vogtei über ellwangisches Kirchengut an der Altmühl bei Gunzenhausen und Unterwurmbach erweitert die territorialen Gebilde der Herren von Truhendingen.

Otto und Ulrich von Wurmbach

Dieses Streben der Edlen von Truhendingen, auf ellwangischem Kirchengut an der Altmühlfurt ihre Herrschaft zu festigen, ist deutlich erkennbar in der Gründung der Stadt Gunzenhausen, aber auch in dem Auftreten einer Ritterfamilie, die sich nach dem Ort Wurmbach nannte. Bei der Aufhellung der Geschichte dieser Familie dürfen wir freilich keine allzu hohen Erwartungen hegen. Nur wenige Urkunden geben uns Kunde über dieses Geschlecht. Meist müssen wir uns mit der Nennung der Namen in der Zeugenreihe der Urkunden begnügen, eine wahrhaft dürftige Überlieferung, die uns auf die eigentlichen Schicksale der Familie so gut wie keine Ausblicke gestattet.

Die bisher bekannte früheste Nachricht über eine ritterliche Familie von Unterwurmbach führt uns in das 13. Jahrhundert zurück. Am 16. März 1271 bekundet Friedrich von Truhendingen zustimmend, daß sein Getreuer Ulrich von Wurmbach dem Zisterzienserinnenkloster Zimmern im Ries einen Hof in Erningen (Kleinerdlingen oder Ehringen?) bei Nördlingen verkauft hat. Die Tatsache, daß Friedrich von Truhendingen seine Zustimmung zu diesem Rechtsgeschäft erteilen muß und daß Ulrich von Wurmbach als sein Getreuer bezeichnet wird, bezeugt die Zugehörigkeit der Wurmbach Ritter zur Standesklasse der Truhendinger Ministerialen. Elf Jahre später erscheint ein Ulrich de Wurmach in der langen Zeugenreihe einer Urkunde des Grafen Friedrich von Truhendingen. Er führt die Standesbezeichnung Ritter. In Otto von Wurmbach begegnet uns 1276 und 1278 ein weiterer urkundlich bezeugter Vertreter dieser Familie. In welchem Verwandtschaftsverhältnis die beiden standen, läßt sich nicht mehr feststellen. Die übrigen Angehörigen dieses Geschlechtes sind verhüllt vom grauen Schleier der Vergangenheit. Die Wurzeln dieser Familie liegen in der Unfreiheit. Als Eigenleute der Herren von Truhendingen bestand ihre ursprüngliche Aufgabe in der kriegerischen Dienstleistung. Sie begleiteten als reisige Knechte ihre adeligen Herren auf Heerfahrten. Die kriegerische Tüchtigkeit der Glieder dieser Familie hob sie bald aus der Masse der übrigen Eigenleute und der Untertanen bäuerlichen Standes empor. Seit dem 12. Jahrhundert, als die Herren von Truhendingen ihren Besitz und ihre Herrschaft über Kirchengut nachweisbar um Burgen konzentrierten, ergaben sich neue Aufgaben in der Verwendung als Kommandanten der Burgbesatzungen. Sie wurden mir der Burgwart und Burghut betraut. Bald aber verbanden sich mir der ursprünglich rein militärischen Dienstleistung der Burgkommandanten auch richterliche und Verwaltungsaufgaben.